Haiku-Blätter ohne Titel (o.J.)
Archiv Forschungsstelle Osteuropa Bremen. Nachlass Trinkewitz.
FSO 2–060.
Überm leeren Nest
Drosselgram
Der Regen mir
die Verse fortnahm
Lenz meiner Lieben
wessen Stimme klagt?
Eine Schwalbe
kam vorbei gejagt
Will Eisner definiert den Comic als „sequenzielle Kunst“. Karel Trinkewitz hat einige seiner Haikus wie Comic-Strips in Sequenzen arrangiert. Auch wenn ihnen die „klassische“ Sequenzialität fehlen mag, eine inhaltliche findet sich allemal, schließlich galt ihm die Wahl eines Jahreszeitenwortes (kigo) als verbindlich: „Echte“ Haikus, heißt es bei ihm, deuten zumindest die „Begleiterscheinungen“ (průvodní jevy) einer Jahreszeit an. Und vielleicht sind seine Panels auch als Haiga zu verstehen – eine Art Kombination von Text und Bild.
In „Anatomie des Comic“ warnt Stephen Packard davor, die Abfolge von Comic-Panels nur als zeitlich getrennte Momentaufnahmen zu lesen. Vielmehr habe das Lesen zwischen Teil und Ganzem hin und her zu wandern. Radikaler ist Ole Frahm, der den Comic als eine Parodie auf „unsere gängigen Vorstellungen vom Verhältnis zwischen Zeichen und ihrer Referenz“ liest. Das könnte auch Trinkewitz so sagen, für den Haiku immer mehr als eine eindimensionale Kunstform war.
Haiku-Blätter ohne Titel (o.J.)
Archiv Forschungsstelle Osteuropa Bremen. Nachlass Trinkewitz.
FSO 2–060.
Der Kirschbaum bröselt
Blätter breit
Mond auf seiner Bahn
Kurze Lebenszeit
Máchas Mondenschein
im Nest Gesang
Wie kann es sein,
dass ein Vers ins Nichts geht?